Was wohl wäre, wenn zum Beispiel das Museum Ludwig eine dritte Etage hätte? Was würde man da finden? Genau diesem imaginären, kreativen Potential geht 'Third Floor', das dritte Album der Alpentines, nach. Hier geht es um Sehnsuchtsorte, reale, virtuelle und elysische – und wie sich diese auf den Künstler und sein Schaffen auswirken. Es geht um Reisen in echt und Reisen in Gedanken. Um den Ozean. Ums Spüren an Orten und in Momenten. Ums Wahrnehmen. Und auch und einfach um Gefühle. Keine schlechten Gefühle, in keinem einzigen Takt. Hier und da kleine, dunkelblau melancholische Einschübe. Aber die mögen sie so. Die Alpentines mögen es, wenn ihre Songs atmen können, wenn sie verzaubern, wenn sie gradlinig Stimmungen transportieren. Aber sie mögen es auch zu fordern und bisweilen zu irritieren.
Doch da ist noch mehr: Drei Sekunden dauert die Zeitspanne, die vom Bewusstsein zur Gegenwart zusammengezogen werden. Das 'Jetzt' dauert also – wissenschaftlich gesehen – drei Sekunden. Und die Musik der Alpentines mag ausufernd sein, groß werden und klein werden in Spannungsbögen, die sich auch mal über sechs Minuten erstrecken, aber diese drei Sekunden der Wahrnehmung des 'Jetzt' sind das Grundmotiv, von dem aus sich Kay Lehmkuhl textlich durch die Songs bewegt, die er als in Songform gegossene Emotions-Experimente bezeichnet.
Nun ja, keine leichte Kost, könnte man denken, aber das stimmt nur teilweise. Und was kann man von einer Band schon erwarten, deren Mitglieder im Indie der 00er-Jahre zuhause und geboren sind und mit Mitte Vierzig immer noch Musik machen. Sie machen Musik für sich. Musik als Selbstzweck; einfach, weil sie wollen, können, sollen und Spaß daran haben, ihre Vision von Avantgarde- und Art-Pop umzusetzen, in jedem Song aufs Neue und in jedem Song anders. Eigentlich sind die Alpentines viele Bands, denn Genre-Grenzen scheinen sie nicht zu kennen, und der Tellerrand ist längst kein Hindernis mehr. Und wahrscheinlich ist das eine der größten Stärken der Band, dass sie ohne Erwartungshaltung ihre Musik produzieren, dass sie den Prozess zulassen, dass sie ohne Ziel der Kreativität Raum geben. Einfach machen. Und sich zuvor natürlich gefunden haben, denn ohne den gemeinsamen Nenner Freiheit funktioniert diese Art von kreativem Kollektivismus nicht.
Alpentines sind:
Kay Lehmkuhl: Gitarre, Gesang Kurt Fuhrmann: Drums, Keys Philipp Gosch: Bass
Marian Menge: Gitarre
Produced by Boris Rogowski & Alpentines
Recorded by Pascal el Sauaf at Studio Nord Bremen, Boris Rogowski at Backporch Studio Köln & Alpentines Mixed by Boris Rogowski
Mastered by Michael Schwabe at monoposto mastering Fotos by Martin Steinke
Artwork by Philipp Gosch
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